Von Mayrhofen im Zillertal geht es relativ steil in das Tuxertal hinauf. Am Talschluss befindet sich die Pfarre Tux, deren Pfarrgeschichte durch die frühere Teilung in zwei Regionen gekennzeichnet war. Hintertux gehörte zur Pfarre Steinach am Brenner. Vordertux dagegen zur Pfarre Fügen bzw. zum näher gelegenen Vikariat Hippach. Noch im Jahr 1367 gab es laut urkundlicher Erwähnung in diesem Tal nur eine kleine Holzkapelle am Gries. Im Jahr 1465 konnte dann, ermöglicht durch eine Grundstücksschenkung in Lanersbach und weitere Zuwendungen mit Zustimmung des Bischofs von Brixen eine eigene Kirche im spätgotischen Stil errichtet werden. Zur Pfarre gehören heute mehrere sakrale Kunst- und Baudenkmäler. Es sind dies die Pfarrkirche Hl. Thomas in Lanersbach, die Kirche Maria Himmelfahrt in Hintertux, die Holzkapelle Madseit, die Barbarakapelle beim ehemaligen Magnesitwerk sowie die Kapelle Maria-Hilf in Vorderlanersbach. Die Kapelle Maria-Hilf, welche baulich gesehen eigentlich eine kleine Kirche ist, befindet sich direkt an der Hauptstraße neben dem historischen Testerhof und wurde im frühen 19. Jahrhundert im nachbarocken Stil errichtet. Schon im 16. Jahrhundert befand sich an der gleichen Stelle ein Bildstock, welche im Zuge der zeit sukzessive erweitert worden ist. Eine Kapelle, die 1758 mit einer Messlizenz ausgestattet worden ist, wird erstmals 1720 erwähnt. Die heutige Kapelle ist ein barocker Saalbau, welcher 1820 errichtet worden sein soll, jedoch weist eine Datierung im Inneren der Kapelle auch auf das Jahr 1809 hin. Sie hat fassadenseitig einen geschweiften Giebel und im Inneren ein dreijochiges Schiff mit 5/8 schließendem Chor. Der Turm mit Zwiebelhaube ist erst später im mittleren 20. Jahrhundert angebaut worden. Im Zuge dessen sind auch an der Empore bauliche Veränderungen durchgeführt worden, die einem geschulten Blick nicht zu entgehen vermögen. Das Stichkappentonnengewölbe, welches auf Pilastern ruht, ist nicht gemauert, sondern eine Holzkonstruktion, auf dessen Lattung der Putz mechanisch verankert ist. Im Gewölbe befinden sich Bildnisse der Verkündigung und Darbringung, welche aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Diese sind in Ölfarbentechnik und nicht in freskaler Kalktechnik, wie vielfach behauptet, ausgeführt! Ob diese auf eine Totalretusche zurückzuführen ist bzw. ob darunter ursächlich Freskomalerei vorliegt, konnte im Rahmen der Innenrestaurierung 09 nicht geklärt werden, da lediglich eine Reinigung der Malerei vorgesehen und notwendig war. Eine weitergehende Abklärung wäre ohne leichte Beschädigungen an der Oberfläche kaum möglich, insofern kann man auf diese ruhigen Gewissens verzichten. Der Altar stammt in seiner Ursubstanz aus dem frühen 19. Jahrhundert und ist insbesondere im unteren Teil später relativ großzügig erneuert bzw. repariert worden, was auf die latente Feuchtigkeitseinwirkung, insbesondere im Bereich des Chors, zurückzuführen ist. Ortsansässige Holzbildhauer und Maler sollen, Überlieferungen zufolge, hier tätig gewesen sein. Die Feuchtigkeitseinwirkung im Sockelbereich, welche auch letztlich der Grund für die zu treffenden Maßnahmen war, da der Innenraum stark mit Grünalgen und Schimmel belastet war, erweist sich insgesamt als sehr nachteilig für das Gebäude, grenzen doch direkt an die Außenmauern auch noch zwei Straßen, die in den relativ strengen Wintern in dieser Bergregion auch noch kräftig gesalzen werden. Der Sockelbereich wird hier, mehr noch als bei anderen Baudenkmälern, eine ständige Verschleißzone sein, welche man ständig unter Beobachtung halten muss! Der Sockelputz wurde daher von Baumeister Ing. Markus Stock aus Lanersbach erneuert.
Eine lebhafte Bau- und Gestaltungsgeschichte stellt in Bezug auf die restauratorische Praxis im Umgang mit dem Denkmal immer eine große Herausforderung dar, denn alles ist in seiner Art und Weise Teil des Denkmals, seiner Geschichte, und daher schützenswert. Die Herstellung einer so genannten Stileinheitlichkeit ist deshalb als Restaurierungsziel nicht zielführend, wenn nicht gar unmöglich, denn dabei würde letztlich Geschichte einer neuen, künstlichen „Fassade“ geopfert. Beim ersten Betreten der Kapelle zeigte sich ein eher beunruhigendes Gesamtbild. Da waren einerseits Deckenmalereien, die aufgrund ihrer Farbintensität viel zu schwer im Vergleich zur Letztfassung wirkten, die darüber hinaus noch über weite Strecken mit Dispersionsfarbe vorgenommen worden ist, und andererseits erschienen sämtliche in der Geschichte vorgenommenen „Verbesserungen“ als zu dominant. Die jüngste Renovierung ist um 1988 vorgenommen worden. Genaue Aufzeichnungen oder gar eine Dokumentation der Arbeiten waren nicht ausfindig zu machen. Die Befundung machte deutlich, dass darunter liegende Fassungen bis zur Originalfassung fast ausschließlich in Kalktechnik erfolgten, daher war naheliegend, Möglichkeiten zu suchen, um wieder eine Remineralisierung der Oberfläche in Kalktechnik herzustellen. Der Originalbefund zeigte eine reichhaltige malerische Ausgestaltung der Kapelle im nachbarocken Stil. Im Bereich einer Stichkappe oberhalb der Empore wurden daher die Überreste freigelegt und rekonstruiert. Diese Rekonstruktion blieb als Fenster mit dem Originalbefund stehen, um einerseits die lebhafte Baugeschichte zu dokumentieren und dem interessierten Besucher vor Augen zu führen, und um andererseits die Nachwelt im Umgang mit der Substanz von Baudenkmälern zu sensibilisieren. Überdies zeigte der Originalbefund ein sattes und kräftiges Oxidrot an den Wänden und eine kassettenartige Fassung in Grautönung an den Pilastern. Auch der Stuck im Gewölbe war über weite Strecken kräftig konturiert. Eine Originalrekonstruktion wurde zwar in Erwägung gezogen und diskutiert, allerdings erwies sie sich aus mehreren Gründen als nicht zielführend und praktikabel. Zum ersten hätten die vielen baulichen und malerischen Details, wie beispielsweise die relativ jungen Apostelkreuze, aus der Baugeschichte, geopfert werden müssen, und zum zweiten waren da noch Kostengründe, welche dagegen sprachen, muss doch noch heuer das Dach neu geschindelt werden und im kommenden Jahr die Fassade wieder in Kalktechnik restauriert werden. So einigte man sich auf eine Fortführung einer der späteren Farbfassungen, die insgesamt sehr integrativ zu wirken versteht und aufgrund Ihrer technischen Beschaffenheit in Kalk sich insgesamt günstig auf das Innenklima auswirkt. Bei den Apostelkreuzen waren leichte Retuschierungen dort notwendig, wo Originalsubstanz im Lauf der Zeit verloren ging, und der Altar erfuhr nach Abschluss der Arbeiten noch eine Reinigung. Kleine Beschädigungen und Fehlstellen im Bereich der Marmorierung wurden repariert. Für die Restaurierung des Gestühles aus Zirbenholz der Kapelle wurde der Vorschlag eingebracht, dieses von der jüngeren Lackschicht zu befreien und in Natur stehen zu lassen oder lediglich mit einem Halböl zu behandeln, um eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeit und Schädlingsbefall zu bewirken. .
Die Kapelle erfreut sich bei Einheimischen und Gästen großer Beliebtheit. Während der Durchführung der Arbeiten konnte man sich davon überzeugen und darüber hinaus das ein oder andere nützliche Gespräch führen, wissen doch die Einheimischen immer interessante Geschichten zu erzählen, die den Ausführenden in der Richtigkeit seiner Analysen bestätigen konnten. Dieses wertvolle Denkmal ist so in seinem Bestand wieder ein Stück gesichert worden, und zwar in einer Art und Weise, dass dessen lebhafte Geschichte für den interessierten Besucher erleb- und greifbar geworden ist.
• Befundung, Konzepterstellung und restauratorisch-handwerkliche Umsetzung: Günther Follmann, Maler und Restaurator in Mils/Tirol, guenther.follmann@aon.at